Ökonom Prof. Marcel Fratzscher zu Gast beim VolksbankFORUM’19 in Meinerzhagen

Populismus – Protektionismus – Paralyse: Europa, was nun?

Meinerzhagen, 15. November 2019

Die Volksbank in Südwestfalen eG hat für das diesjährige VolksbankForum’19 wieder einen hochkarätigen Gastredner finden können. Unter der Überschrift „Europa, was nun?“ skizzierte mit Prof. Marcel Fratzscher einer der führenden Ökonomen Deutschlands in der Meinerzhagener Stadthalle den aktuellen ökonomischen Zustand Europas. Unter der Leitung von Moderatorin Nicole Flüshöh diskutierte Prof. Fratzscher im Anschluss an seinen Vortrag gemeinsam mit Britta Hölper (geschäftsführende Gesellschafterin der Möhling GmbH & Co. KG, Altena), Jürgen Echterhage (Geschäftsführung der e.holding – Fluid Technology Group, Neuenrade) und Volksbank-Vorstand Roland Krebs auf dem Podium darüber, welche Auswirkungen die aktuelle Situation Europas auf die Region Südwestfalen hat.

Klare Kante

VolksbankFORUM'19 - Volksbank in Südwestfalen eG

„Er meldet sich stets mit klarer Kante und verständlichen Statements und gehört zu den führenden Ökonomen der jüngeren Generation“, mit diesen Worten begrüßte Volksbank-Vorstand Roland Krebs Prof. Fratzscher in Meinerzhagen. Er sei schon sehr stolz, dass die Volksbank auch in diesem Jahr wieder einen hochkarätigen Experten für das beliebte VolksbankFORUM gewinnen konnte.

VolksbankFORUM'19 - Volksbank in Südwestfalen eG

„Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt das meiste richtig“, mit diesem Zitat des deutschen Journalisten und Schriftstellers Kurt Tucholsky startete Prof. Fratzscher seinen Vortrag zum wirtschaftlichen Ausblick in Zeiten von Populismus und Unsicherheit. Auch heute hat diese Erkenntnis nicht an Bedeutung verloren. Auch wenn wir in Deutschland, so Prof. Fratzscher, in wirtschaftlich goldenen Zeiten leben und in den vergangenen zehn Jahren neben einem Beschäftigungsboom auch einen Anstieg der Löhne feststellen können, haben viele Menschen das Gefühl, dass etwas nicht passt. Das müsse man ernst nehmen. Trotzdem habe es Deutschland vom einst „kranken Mann Europas“ in vielen Bereichen zu einer Vorreiterrolle geschafft. „Die drei größten Stärken Deutschlands sind der Arbeitsmarkt, die hohe Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und ein Staat mit riesigen Steuerüberschüssen“, so Prof. Fratzscher. Er sehe aber auch Politikrisiken, die er die drei Ps nennt: Populismus, Protektionismus und Paralyse. Auch wenn es Populisten anders sehen, Deutschlands Wohlstand liege nicht zuletzt auch an den offenen Grenzen. Nicht nur die USA betreibt eine zunehmende Politik der Abschottung. Viele Staaten werten Deutschlands hohe Exportüberschüsse ebenfalls als eine Form des Protektionismus. Ein großes Problemfeld sei überdies die zunehmende Investitionslücke im Land. Trotz eines Reformbedarfs und gleichzeitiger Überschüsse, würden die Gelder zu wenig genutzt, um kluge Zukunftsreformen zu tätigen (Paralyse).

Brexit als eins der spezifischen Risiken

VolksbankFORUM'19 - Volksbank in Südwestfalen eG

Zu den spezifischen Risiken zählt Prof. Fratzscher neben den drei Ps auch den Brexit. Alleine durch die weiterhin bestehende Unsicherheit, wie der Brexit letztendlich aussieht und wann er kommen wird, sinke die Wirtschaftsleistung auch bei uns. Zahlreiche Unternehmen stellen sich die Frage, ob sie ihre Produkte auch weiterhin in Großbritannien verkaufen können und was ein Brexit letztendlich für den eigenen Betrieb bedeutet. Als einen weiteren Risikofaktor macht Prof. Fratzscher ebenfalls eine steigende Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA aus. Das Problem: „Wenn die Amerikaner Schnupfen kriegen, bekommen wir in Europa eine Grippe.“ Auch wenn die USA seit nunmehr zehn Jahren ein wirtschaftliches Wachstum erleben, stelle sich nicht mehr die Frage, ob es zu einer Rezession kommen werde, sondern nur noch, wann damit zu rechnen sei. Prof. Fratzscher rechnet mit einer Abschwächung in den nächsten zwei Jahren.

Deutschland hat in Europa viel Potenzial

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Deutschland lebe seit 15 bis 20 Jahren von der Substanz. Der deutsche Staat investiere einfach zu wenig in die Infrastruktur des Landes. Besonders für den ländlichen Raum bedeute dies, dass die Menschen abwandern. „Wenn Deutschland zukunftsfähig sein soll, benötigen wir eine leistungsfähige Infrastruktur“, so Prof. Fratzscher. Dies beziehe sich ausdrücklich auch auf den digitalen Bereich. Denn hier sei Deutschland schlecht.

In der anschließenden Podiumsdiskussion erörterte Prof. Fratzscher gemeinsam mit Gastgeber Roland Krebs, Britta Hölper sowie Jürgen Echterhage, welche Auswirkungen die aktuelle Situation Europas auf die Region Südwestfalen hat. Diskutiert wurde über eine zunehmende Bürokratie, über eine schlechte Kommunikationsinfrastruktur im Sauerland und die Auswirkungen des Brexits auf die Betriebe in der Region. In Österreich habe Hölper selbst beim Skifahren auf den höchsten Bergen die heimische Produktion per Smartphone überwachen können, während zu Hause im Sauerland regelmäßig die Mobilfunkverbindung durch Funklöcher unterbrochen wird. „Die Kommunikation ist im Sauerland eine Katastrophe“, bestätigte auch Jürgen Echterhage. Bei der klassischen Infrastruktur sehe es nicht besser aus. Hier sei das Problem, dass man mittlerweile keine verlässlichen Ankunftszeiten aufgrund des schlechten Zustands des Straßennetzes treffen könne. Beide sehen daher die Politik in Zugzwang.  Auch wenn es viele Baustellen gibt, bleibt Prof. Fratzscher optimistisch: „Wir haben in Europa viel Potenzial. Wir nutzen es nur nicht genug.“

Pressekontakt

Patricia Langer - Volksbank in Südwestfalen eG